John Henry Newman - Welt Gottes und Wahrheit des Menschen
Internationaler wissenschaftlicher Kongress, 8. - 10. Oktober 2021

Rückblick

Internationaler Newman-Kongress in Wien

Unter dem Titel „John Henry Newman – Welt Gottes und Wahrheit des Menschen“ widmete sich die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien, in Zusammenarbeit mit dem Oratorium des hl. Philipp Neri in Wien dem Denken des englischen Kardinals, der bis heute Theologie und Philosophie inspiriert.

Die Referentinnen und Referenten des internationalen Kongresses näherten sich der Gestalt Newmans dabei aus unterschiedlichen Perspektiven. Zunächst beleuchtete der langjährige Präsident der französischen Newman-Gesellschaft Keith Beaumont im Eröffnungsvortrag den Werdegang des englischen Konvertiten und die damit verbundenen Aspekte seiner Spiritualität: die Rolle des Dogmas, die Bedeutung der Bekehrung und der Hingabe an den dreifaltigen Gott, Newmans Verständnis von Heiligkeit, Gebet und Gehorsam.

Grégory Solari, der aktuelle Präsident der Amis de Newman stellte die Bezüge Newmans zu Descartes heraus, den dieser in seinem Philosophical Notebook mit „Sentio ergo sum“ interpretiert und so die Basis für den illative sense legt.

Das erste Panel wurde schließlich von Thomas Möllenbeck, Professor in Münster, Trumau und Heiligenkreuz, beschlossen, der die Verbindung der drei Konversionserfahrungen Newmans mit dem Wahrheitsanspruch Gottes und den menschlichen Erkenntnisbedingungen offenlegte.

Am Nachmittag referierte dann zunächst der Jesuit und Professor für Fundamentaltheologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana, Nicolas Steeves über die Rolle der Imagination in Newmans Denken, die es vermag, als Dualismen empfundene Gegensätze miteinander zu versöhnen.

Anschließend analysierte der in Freiburg lehrende Dominikaner und frühere Präsident der Katholischen Universität Eichstätt Richard Schenk eines der Kriterien Newmans für die authentische Entwicklung: das Assimilierungsvermögen. Dieses könne, in Verbindung mit der Einheit der Glaubensgemeinschaft, die Mitte zwischen Zuviel und Zuwenig anzeigen.

Beschlossen wurde der erste Kongresstag mit einem Abendoratorium in der Rochuskirche, bei dem neben Chormusik der englischen Renaissance auch Texte Newmans vorgetragen wurden. P. Felix Selden vom Wiener Oratorium deutete dabei in einem Impuls anhand der Biographie Newmans Anspruch einer persönlichen Mission jedes Menschen.

Den zweiten Tag eröffnete der Oratorianer und Universitätsseelsorger Paul Wodrazka mit einem Referat über die Bedeutung Philipp Neris und des Oratoriums bei Newman. Dieser habe sich dabei als ein authentischer Erneuerer erwiesen, der zwar das oratorianische Leben in die damalige Zeit übertrug, ohne dieses jedoch zu verfremden oder zu newmanisieren.

Peter Becker, Assistent am Spiritualitätslehrstuhl in Wien, vertiefte eine These Ian Kers, nach der eine enge Konvergenz zwischen Newman und den neuen geistlichen Gemeinschaften in der Kirche gesehen werden kann. Newmans Denken könne diesen Gemeinschaften helfen, das eigene Charisma zu prüfen und zu unterscheiden sowie Gefahren des Missbrauchs zu vermeiden.

Der aus London angereiste Oratorianer Uwe Michael Lang wies schließlich auf die bedeutende Rolle hin, welche die Liturgie im Konversionsprozess des Engländers spielte, insbesondere auf die Stellung der Eucharistie und des Römischen Breviers.

Am Nachmittag hatten die, teils von weit her angereisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann die Möglichkeit, sich anhand von Texten Newmans in Gruppen eines Guided Reading mit unterschiedlichen Facetten des Newman’schen Werkes zu befassen.

Marianne Schlosser, Professorin für Theologie der Spiritualität an der Universität Wien und Mitglieder der Internationalen Theologenkommission, zeigte Newman dabei als geistlichen Ratgeber, der, geprägt von einem rückhaltlosen Vertrauen in die persönliche Vorsehung Gottes, Menschen auf dem Weg begleitet, tiefer das Geschenk und den Auftrag des eigenen Lebens zu verstehen.

Roman Siebenrock, Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie in Innsbruck und Präsident der Internationalen Deutschen Newman-Gesellschaft ermutigte in seinem Guided Reading zur Suche nach der Wahrheit, wo immer man sie auch findet und zur Gewissenhaftigkeit als Weg zu Gott.

Der Kölner Diözesanjugendpfarrer Tobias Schwaderlapp widmete sich schließlich dem dichterischen Werk Newmans und erschloss den Teilnehmern dessen berühmtestes Gedicht, den Traum des Gerontius.

Der Tag wurde schließlich feierlich abgerundet durch einen Vortrag von Bischof Rudolf Voderholzer im Großen Festsaal der Universität Wien, in dem der Festredner Newmans Verständnis authentischer Lehrentwicklung nachverfolgte und ihre Anwendbarkeit auf die Forderung nach heutiger Weiterentwicklung hin überprüfte.

Seinen Abschluss fand der Kongress mit einer hl. Messe in der Rochuskirche, der Bischof Voderholzer vorstand, unter den Klängen von Palestrinas Missa Papae Marcelli.

Erfreulich war es, dass viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aber auch Referenten aus unterschiedlichen Ländern und verschiedenen Traditionen der Newman-Rezeption in Wien präsent waren und in einen gemeinsamen Austausch treten konnten.

Mit den Bezügen zur französischen Philosophie, der Architektur, Liturgie und dem Einfluss des oratorianischen Charismas kamen Aspekte zur Sprache, die in bisherigen Newman-Studien teilweise noch nicht so intensive Betrachtung fanden. Als ein Ergebnis des Kongresses konnte sich herauskristallisieren, dass Newmans Denken es erlaubt, gegensätzliche Prinzipien in Beziehung zu bringen und in deren Ausgleich fruchtbar zu machen. Besonders dieser Gesichtspunkt scheint für die gegenwärtige kirchliche Situation, die von lebhaften Debatten geprägt ist, von großem Aktualitätswert.